Wer sich um Menschenrechte in der Welt und vor der Haustür sorgt, die Erinnerung an die nationalsozialistischen Massenmorde wachhalten und so möglichen Anfängen wehren möchte, steht zunehmend vor dem Problem, dass uns die Menschen verloren gehen, die noch berichten können.
Eine Gruppe Freiwilliger aus der Q1 hat sich Mitte Februar 2024 auf den Weg nach Polen gemacht, um zunächst in Krakaus jüdischem Viertel ein Bild von der Religion und Kultur des Judentums zu gewinnen – auf dem alten Friedhof, in einer kleinen Synagoge, auf dem
Marktplatz, in den Gassen – mit einem neuen, hellen Anlaufzentrum.
Am nächsten Tag führte die Reise nach Oswiecim und dort in das Stammlager Auschwitz. Wir betraten es durch einen langen, von hohen Betonwänden eingefassten Weg, auf dem die Namen Ermordeter erklangen. Wir haben den Stacheldraht, die Erschießungswand, die
Todeszellen gesehen – auch die von Pater Kolbe, der sich für einen Mitgefangenen opferte.
Wir haben im meterdicken Buch der Namen geblättert – und die Ausstellung gesehen:
Die Alltagsgegenstände der Menschen, die glaubten, sie würden umgesiedelt. Die vielen Koffer, Brillen, Schuhe, Prothesen. Die Haare, aus denen Teppiche wurden. Die Asche, die man im Winter auf die Wege des Lagers streute. Die letzten Fotos von Kindern auf der Todesrampe, ihre kleinen Kleidungsstücke. Und an den Wänden ihre Zeichnungen von Zügen auf der Rampe, Galgen, Erschießungen. So viele erschütternde Details.
Der dritte Tag führte uns in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Vom Wachturm über dem Eingangstor wurden die Dimensionen dieser Todesfabrik deutlich – Baracken und ihre Reste bis zum Horizont. Wir haben an der Rampe gestanden, vor einem der Viehwaggons. In den Baracken gingen wir durch die langen Reihen der Gestelle aus Stein und Holz – Regale, in denen Menschen gestapelt waren. Kein Rest von Privatsphäre, kaum Schutz vor Kälte und
Wind. Wir sind endlos erscheinende Wege gelaufen, zu den gesprengten Krematorien und Gaskammern bis zur Aufnahmestation, in der die Wenigen, die vor dem Tod noch arbeiten sollten, registriert und nummeriert wurden.
In Oswiecim, dieser historischen kleinen Stadt, zeugt viel von den übermächtigen Stätten des Todes, aber eben auch von dem jüdischen Leben dort: Museen, eine Ausstellung auf dem Marktplatz, das jüdische Zentrum mit seiner Synagoge, das Einblicke in die lange Geschichte
der jüdischen Kultur erlaubt.
Den bewegenden Abschluss unserer Fahrt bildete die Ausstellung von zahlreichen Bildern des Auschwitz-Überlebenden Marian Kolodziej im Kellergewölbe eines Klosters in Harmeze. Die schwarze Sonne als Todessymbol begegnet uns immer wieder, ebenso verzweifelte Gesichter, gewundene Körper, Skelette. Und immer wieder Pater Kolbe, der Kolodziej aufrecht hielt. Die
Bilder setzen ihm und den Opfern ein Mahnmal und nehmen und verlangen uns ein Versprechen ab: Wir werden berichten.
Und wir möchten jedes zweite Jahr an diese Stätten in Polen fahren – mit jungen Menschen, die so mittelbar zu Augenzeugen werden.